Vorfahrt für Elektroautos: Die EU-Legislation als Gamechanger
Europa verfolgt mit dem Green Deal das ehrgeizige Ziel, bis 2050 ein klimaneutraler Kontinent zu werden. Dazu hat die Europäische Kommission neue Gesetzesvorschläge vorgelegt und viele zielen auf die Mobilität ab.
Bis 2030 soll es in der Europäischen Union 40 Millionen Elektroautos geben. Das ist ein enormer Zuwachs gegenüber den 8 Millionen elektrischen Fahrzeugen, die aktuell auf europäischen Straßen unterwegs sind.
Um das ehrgeizige Ziel zu erreichen, bedarf es einer Reihe von Richtlinien und Zielsetzungen, um Staaten, Unternehmen und Privatpersonen in die richtige Richtung zu lenken.
„Auf den Verkehr entfällt fast ein Viertel der europäischen Treibhausgasemissionen, daher ist die Förderung der Elektromobilität entscheidend für das Erreichen der Klimaziele. Die Ladeinfrastruktur muss an die neuen Ziele angepasst werden“, beschreibt Miapetra Kumpula-Natri, finnisches Mitglied des Europäischen Parlaments, die Ambitionen.
Kumpula-Natri war Gastrednerin in unserem Webinar über Elektromobilität und Energiemanagement in Immobilien.
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Derzeit fördert die Europäische Union den Aufstieg der Elektromobilität auf vielfältige Weise, indem sie die Automobilhersteller zur Produktion emissionsarmer Fahrzeuge drängt und den Aufbau einer umfassenden Ladeinfrastruktur unterstützt.
Die wichtigste Rechtsgrundlage, die sich auf die Entwicklung von Ladeinfrastrukturen in der gesamten Union auswirkt, ist die Verordnung über die Infrastruktur für alternative Kraftstoffe, kurz AFIR-Verordnung.
AFIR soll vor allem das Laden von Elektrofahrzeugen in Europa vereinheitlichen, indem sie allen Mitgliedstaaten und ihren Marktteilnehmern gemeinsame Normen und Leitlinien für das E-Laden vorschreibt.
Verordnung über die Infrastruktur für alternative Kraftstoffe (AFIR): Zusammenfassung
Die Ziele von AFIR konzentrieren sich nicht nur auf den Straßenverkehr, sondern auch auf die Festlegung von Normen für den Einsatz alternativer Kraftstoffe im See- und Luftverkehr. In diesem Artikel konzentrieren wir uns jedoch auf den Straßenverkehr, genauer gesagt auf elektrisch betriebene Fahrzeuge.
1. Die 60-Kilometer-Regel
Einer der wichtigsten Bestandteile der AFIR-Verordnung ist die „60-km-Regel“. Diese besagt, dass jeder Mitgliedstaat entlang des transeuropäischen Verkehrsnetzes (TEN-V) alle 60 Kilometer eine Schnellladestation mit mindestens 150 kW installieren muss.
Außerdem schreibt die Verordnung eine Ladeleistung von mindestens 1,3 kW pro zugelassenem batteriebetriebenem Fahrzeug auf dem Territorium des jeweiligen Landes vor.
Für schwere Nutzfahrzeuge bleibt die 60-km-Regel bestehen, allerdings muss die Mindestleistung der Ladestation 350 kW betragen.
2. Ad hoc Zahlungen
In den vergangenen Jahren wurde in der Branche viel über die Bezahlmöglichkeiten beim Laden von Elektroautos diskutiert. Ein einfacher und intuitiver Bezahlvorgang ist unerlässlich für ein positives Nutzungserlebnis.
Die AFIR erkennt hier die Notwendigkeit einer Vereinheitlichung und schreibt die Möglichkeit einer Ad-hoc-Kartenzahlung für alle neuen Ladepunkte ab 13. April 2024 vor. Zudem besteht eine Pflicht zur Nachrüstung bestehender Ladestationen ab 50 kW zum 1. Januar 2027.
3. Preistransparenz
Bislang gibt es keinen gemeinsamen Standard für die Preisgestaltung beim Laden von Elektroautos. Anbieter von Ladestationen konnten ihre Preise auf verschiedene Weise festlegen: nach Zeit, Energie, einer Kombination aus beidem oder mit einem festen Tarif.
Um Kohärenz und Transparenz zu gewährleisten, sollten laut AFIR an Ladepunkten mit einer Leistung von mehr als 50 kW die Preise energiebezogen sein, d. h. pro kWh, und den Ladegästen vor Beginn des Ladevorgangs deutlich mitgeteilt werden.
4. Open Data
Konsumentinnen und Konsumenten müssen uneingeschränkt Zugang zu vollständigen Informationen über die Verfügbarkeit, den Standort, die Wartezeit, den Betriebsstatus und den Preis der verschiedenen Ladestationen haben.
Dieser Zugang zu Open Data ist von entscheidender Bedeutung für die Interoperabilität bzw. die Fähigkeit aller Elektrofahrzeuge, an jeder Ladestation laden zu können. Das Ökosystem für das Laden von Elektroautos soll so offen und zugänglich wie möglich gestaltet werden.
5. Smart Charging
Smart Charging, oder intelligentes Laden, ist die Fähigkeit einer Ladestation, mit seinem CPMS (Charge Point Management System) über die Cloud zu kommunizieren und gleichzeitig die Fernüberwachung und -verwaltung der Ladestation zur Optimierung des Energieverbrauchs zu ermöglichen.
Das ist nicht nur für das Energiesystem von Vorteil, das damit ausgeglichen und gesund bleibt, sondern auch für die Fahrerinnen und Fahrer von Elektroautos selbst. Die AFIR schreibt vor, dass alle öffentlichen Ladestationen für E-Fahrzeuge die Fähigkeit zum Smart Charging besitzen müssen.
Weitere relevante EU-Vorschriften
Maßnahmen auf EU-Ebene betreffen jeden einzelnen Sektor. Ein Großteil der Maßnahmen zur Ladeinfrastruktur für Elektroautos wird im Immobiliensektor ergriffen. Immobilienverwalter und -eigentümer müssen die Voraussetzungen dafür schaffen, dass Autos einfach geladen werden können.
„Mit diesen Gesetzesvorschlägen gibt es einen Impuls für die Schaffung einer umfassenden und intelligenten Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge, die so weit wie möglich auf erneuerbaren Energien basiert und die Nachfragereaktion des intelligenten Netzes unterstützt“, erklärt Kumpula-Natri.
Richtlinie über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden (EPBD)
Die überarbeitete Richtlinie über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden, auf Englisch Energy Performance of the Buildings Directive (EPBD) oder einfach EU-Gebäuderichtlinie, hat sich zum Ziel gesetzt, die Energieeffizienz von Gebäuden in der Union zu verbessern.
In Deutschland setzt das Gebäude-Elektromobilitätsinfrastruktur-Gesetz (GEIG-Gesetz) die Vorgaben des EPBD hinsichtlich der Elektromobilität bereits in nationales Recht um.
Im Detail regelt das GEIG-Gesetz den verpflichtenden Aufbau von Lade- und Leitungsinfrastruktur für die Elektromobilität in bestehenden Gebäuden und solchen, die einer Renovierung unterzogen werden.
Hier wird je nach Gebäudeart eine feste Anzahl von Ladepunkten oder Leerrohren für eine nachträgliche Aufrüstung mit Ladestationen vorgeschrieben.
Energieeffizienz-Richtlinie (EED)
Auf Grundlage der Energieeffizienz-Richtlinie, auf Englisch Energy Efficiency Directive (EED) soll bis 2030 der Gesamtenergieverbrauch in der EU um mindestens 32,5 Prozent gesenkt werden. Gleichzeitig gibt die EU zu verstehen, dass dieser Prozentsatz höher sein sollte.
Mit dem vermehrten Umstieg auf effizientere Elektrofahrzeuge und der Effizienzsteigerung des bestehenden Fahrzeugbestands will die EU dieses Ziel erreichen.
In der Praxis haben mehrere Länder bereits konkrete Schritte unternommen, um den Übergang zur E-Mobilität zu beschleunigen: Kaufförderungen für Elektroautos, wie den Umweltbonus in Deutschland, Steuererleichterungen und Abwrackprämien.
Die Energieeffizienz-Richtlinie wurde in den einzelnen Mitgliedstaaten bereits umgesetzt und kann und sollte durch ehrgeizige verkehrspolitische Maßnahmen zusätzlich unterstützt werden, damit das Energieeffizienzziel der EU im Jahr 2030 erreicht werden kann.
Erneuerbare-Energien-Richtlinie (RED)
Die Europäische Union muss den Übergang zu sauberen Energien beschleunigen, wenn sie das Ziel der Klimaneutralität bis 2050 erreichen möchte. Die Erneuerbare-Energien-Richtlinie, Englisch Renewable Energy Directive (RED) bietet einen Rechtsrahmen für die Entwicklung sauberer Energien in allen Wirtschaftssektoren.
RED enthält auch einen gesetzlichen Rahmen für die Erleichterung der Elektrifizierung des Verkehrs und zur Förderung von Elektrofahrzeugen und intelligenten Ladevorgängen.
Die Richtlinie wurde 2023 überarbeitet, als das Ziel für erneuerbare Energien von 40 Prozent auf 42,5 Prozent bis 2030 angehoben wurde. RED III tritt am 20. November 2023 in Kraft.
Deadline für die Umsetzung in den einzelnen Mitgliedsstaaten ist Mai 2025. Einzelne Vorgaben müssen bereits bis Juli 2024 umgesetzt werden.
In Deutschland regelt das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) Ziele und Vorgaben beim Ausbau von erneuerbaren Energien. So sollen bis 2023 mindestens 80 Prozent des Bruttostroms aus erneuerbaren Energien stammen.
EU-Taxonomie
Die EU Taxonomieverordnung umfasst die Maßstäbe zur Feststellung, ob eine wirtschaftliche Tätigkeit als ökologisch nachhaltig betrachtet werden kann (Taxonomie). Ihr Hauptzweck besteht also darin, den Umfang der ökologischen Nachhaltigkeit einer Investition zu bestimmen.
Als bedeutender Rechtsakt zielt sie darauf ab, durch die Unterstützung privater Investitionen in grüne und nachhaltige Projekte einen Beitrag zum Europäischen Green Deal zu leisten.
Mit dem Kriterienkatalog der EU-Taxonomie werden Unternehmen in die Pflicht genommen, über die Nachhaltigkeit ihrer wirtschaftlichen Tätigkeiten Bericht zu erstatten. Beispielsweise wie sie Emissionen reduziert, vermieden und gesteuert haben.
So kann sichergestellt werden, dass Geld in Projekte fließt, die den Umweltschutz fördern und den Zielen des Europäischen Grünen Deals entsprechen.
Richtlinien zur Gestaltung des Strommarktes
Mit Reformen der Elektrizitätsverordnung, der Elektrizitätsrichtlinie und der REMIT-Verordnung soll der europäische Strommarkt umgestaltet werden.
So sollen Konsumentinnen und Konsumenten besser vor plötzlichen Preisanstiegen geschützt werden und Maßnahmen, die saubere flexible Lösungen wie Laststeuerung und Speicherung in das System möglich machen, gefördert werden.
Darüber hinaus sollen intelligente Stromzählersysteme eingeführt werden.
„Intelligente Häuser, Dörfer und Städte stellen Konsumentinnen und Konsumenten in den Mittelpunkt des Energiesystems. Da lokale und erneuerbare Energiequellen den Energieverbrauch dekarbonisieren, werden intelligente Netze benötigt, um das Energiesystem entsprechend ausgleichen zu können“, erklärt Kumpula-Natri.
Intelligente Ladesysteme für Elektroautos ermöglichen, Stabilität und Flexibilität für das Stromnetz zu schaffen. Mit der Neugestaltung des europäischen Strommarktes und intelligenten Ladesystemen können die Verbraucherinnen und Verbraucher zukünftig einfacher und unbürokratischer über ihre Energie verfügen, also ohne unnötige Gebühren nutzen, erzeugen, speichern und sogar verkaufen.
Erhalten Sie Hilfe bei der Planung einer intelligenten und elektrischen Zukunft
Die EU-Legislation sendet eine lautstarke und klare Botschaft: Elektroautos haben in Zukunft Vorfahrt. Das Laden von Elektrofahrzeugen muss größere Verbreitung finden.
Abgesehen von den positiven Auswirkungen auf die Umwelt, müssen Unternehmen in verschiedenen Sektoren auch mit der Nachfrage ihrer Kundinnen und Kunden nach einem Ladedienst für Elektroautos Schritt halten, um relevant zu bleiben.
Das Stromtanken oder E-Laden ist eine großartige zusätzliche Einnahmequelle: Ladestationen ziehen neue Kundinnen und Kunden an, bringen einen Mehrwert für Unternehmen und fördern die Loyalität bestehender Kundschaft.
Virta kann helfen, die gesetzlichen Anforderungen zu erfüllen und an der Elektroauto-Revolution teilzunehmen. Lassen Sie uns einen Plan ausarbeiten, damit Sie intelligentes Laden von Elektroautos zu Ihrer Zukunft machen können.